Rückblick auf die Anfänge der Wiesmoorer Freilichtbühne
Auf die Frage, welches Ereignis man mit der Freilichtbühne in Wiesmoor verbindet, wird nicht selten „Das Blütenfest" geantwortet. Das ist ja auch vollkommen richtig.
Doch das idyllisch im Wald gelegene Kleinod nur auf die blühende Veranstaltung zu reduzieren, wäre falsch, wie eine Rückschau in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und der Währungsreform beweist. Wir schreiben die Jahre 1949 und 1950: Die Landgemeinde Wiesmoor ist zu diesem Zeitpunkt auf 1600 Einwohner angewachsen, was auch auf die hervorragende Entwicklung der Betriebsanlagen der Nordwestdeutschen Kraftwerke zurück zu führen ist. Schließlich wurden immer mehr Arbeitskräfte benötigt, und die kamen mit „Kind und Kegel" ins aufstrebende Wiesmoor. Ebenfalls gut entwickelte sich das Geschäftsleben. Es gab rege Bautätigkeit entlang der Hauptstraße. Eine Reihe von Geschäftshäuser, wie das des Uhrmachers Barth, wurden errichtet, und im Hause Fahnster gab es mit einer Zweigstelle der Apotheke Friedeburg das erste Arzneimittelhaus im Ort.
Quantensprünge
Mit den Anfängen des Jahres 1951 gab es dann drei Quantensprünge: Im Februar wurde der Verkehrs- und Heimatverein Wiesmoor und Umgebung mit dem Vorsitzenden Kraftwerksdirektor Jan Hinrichs gegründet, Wiesmoor war fortan eine Großgemeinde, und zum ersten Mal wurde über die „Errichtung einer Freilichtbühne sowie Veranstaltungen von Volksfesten" - so der Wortlaut im Gründungsprotokoll des Vereins - nachgedacht. Nur drei Jahre später, nämlich im Sommer 1954, fieberte das Veranstaltungsareal im knapp 150.000 Quadratmeter großen „Gemeindepark" seiner Fertigstellung entgegen. „Jan Hinrichs wollte damals für den Tourismus in Wiesmoor ein weiteres wichtiges Standbein setzen. Und so entschloss man sich für diese Veranstaltungsbühne. Zwei Jahre zuvor hatte er das Blütenfest auf den Weg gebracht", berichtet das ehemalige Bundestagsmitglied Wilfried Bohlsen, der viele Jahre an der Spitze des Verkehrs- und Heimatvereines stand. Da man ansteigende Tribünenplätze haben wollte, wurde im grünen „Gemeindepark" ein See ausgehoben, deren anfallende Erde man für den Erdanstieg verwendete. Auf der Zuschauertribüne, die mit Holzbänken ausgestattet war, fanden bis zu 3000 Besucher Platz. Von dort aus hatte man einen direkten Blick auf die große Veranstaltungsfläche, die durch einen Wassergraben von den Zuschauern getrennt war.
Als große Eröffnungsveranstaltung der Freilichtbühne fungierte im August 1954 das dritte Blütenfest, auf dem es dann auch nicht mehr Festumzug, sondern erstmals Blumenkorso hieß. Und der wurde auf dem neuen Veranstaltungsgelände würdevoll präsentiert. Am Blütenfestsonnabend und -sonntag gastierte übrigens die Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven mit dem plattdeutschen Lustspiel „Besöökut de Stadt" auf der Freilichtbühne. Die Festaufführungen wurden durch einen Kinderchor, eine Bläsergruppe sowie die Volkstanz- und Trachtengruppe umrahmt.
Zuletzt genannte und frisch gegründete Formation witterte mit der Theateraufführung der Wilhelmshavener die große Chance, als Dorfjugend mit Volkstänzen vor großem Publikum zu glänzen, da der Regisseur viele Menschen auf der Bühne haben wollte, wie Bohlsen dem HARLINGER erklärt: „Die Tanzeinlagen in den zwei Aufführungen hatten eine glückliche Nebenwirkung. Das Lustspiel wurde danach nämlich im Stadttheater Wilhelmshaven weitergespielt und dazu brauchte man die Volkstanzgruppe. Und so gab es mehr als zehn Auftritte für die Wiesmoorer im Stadttheater Wilhelmshaven. Direktor Jan Hinrichs hatte im Vorfeld der Eröffnung Mitglieder des Gemeinderates zu einem Gespräch versammelt, um Möglichkeiten der Bespielung der Freilichtbühne auszuloten. Bei diesem Treffen wurde beschlossen, eine Theatergruppe zu gründen, damit es auf der neuen Veranstaltungsfläche auch Theater zu sehen gab. Ein Jahr rief man die Niederdeutsche Bühne Wiesmoor ins Leben. Und mit dem Lustspiel „Wenn de Hahn kreiht" feierten die plattdeutschen Laienspieler im Sommer 1955 ihr Freilichtdebüt. Zudem gelang der Niederdeutschen Bühne mit dieser Inszenierung, die 1541 Zuschauer auf die Freilichtbühne lockten, die Aufnahme in den Niederdeutschen Bühnenbund Niedersachsen/Bremen.
Reichlich Theater
In den darauffolgenden Jahren folgten weitere Theaterproduktionen der Wiesmoorer Bühne und von Gasttheatern.
So umfasste der Spielplan der Freilichtspiele 1957 drei Produktionen, darunter Shakespeares „Othello". Ein Jahr später wurde von der Landesbühne Niedersachsen Nord „Wilhelm Tell" auf die Bühne gebracht. Wiederum ein Kalenderjahr weiter hieß es dann„Quade Foelke", bei dem das Ensemble der Niederdeutschen Bühne Wiesmoor durch Darsteller benachbarter Bühnen aus Leer und Aurich verstärkt wurde.
„Das waren immer große Theaterspektakel. Über die Schulvorstellungen wurde damals sogar im Schulverwaltungsblatt berichtet", erinnert sich Wiesmoors Bühnenleiter Helmut Saathoff. Die Tradition, auf der Freilichtbühne Theater zu spielen, hielt bis in die 1980er Jahre. Mit der Wiesmoor-Revue „Törf un Strom" wurde sie im Jahr 2009 wieder aufgenommen. Zuletzt spielte die Niederdeutsche Bühne Wiesmoor im August 2013 anlässlich des 125. Geburtstages des Ems-Jade-Kanals das Schauspiel „Kanaal" und begeisterte damit fast 9000 Besucher.
Neben einer Reihe von einmaligen Projekten, wie beispielsweise ein großes Volkstanztreffen mit einer Schuhplattlergruppe aus Vöcklabruck (Österreich) im Juni 1959, gibt es mit dem Blütenfest auch heute noch eine Veranstaltung, die Jahr für Jahr konstant im September die Menschenmassen auf die Freilichtbühne lockt und den Königinnentraum junger Frauen wahr werden lässt. Übrigens: Im Jahr 1966 wurde eine Niederländerin, nämlich Joukje Mulder, Blütenkönigin.
Doch nicht nur das: Seit jeher übernimmt eine bekannte Persönlichkeit die Schirmherrschaft der Veranstaltung. So reiste sich sogar der spätere Bundeskanzler Willy Brandt im Jahre 1961, damals noch als Berlins Regierender Bürgermeister, auf die Freilichtbühne. Weitere Landes- und Bundesminister kamen.
Aber auch Prominente aus dem Musiksektor wie Lale Andersen, Bernhard Brink oder Facio Santillan traten auf der Freilichtbühne auf. Zum zuletzt genannten Panflötenkünstler erzählt die ehemalige Wiesmoorer Lehrerin und heute noch aktive Volkstänzerin Hildegard Schreiber eine besondere Begebenheit aus dem Jahr 1970: „Ich habe damals mit einer Schulklasse einen Tanz zu Facio Santillans Flötenmusik einstudiert. Er war richtig begeistert und hat gedacht, dass wir das extra für ihn aufgeführt haben. Dabei wussten wir gar nicht, dass er zum Blütenfest gekommen war."
Große Konzerte
Um die Jahrtausendwende war die Wiesmoorer Freilichtbühne der Ort für große Konzerte. Hatte 1986 bereits die Gruppe „Karat" aufgespielt, so folgten ab 1998 große Open-Airs. „Fury in the Slaughterhouse", „Otto Waalkes", „Scorpions", „BAP", „Barcley James Harvest", „Klosterthaler" - sie alle kamen. Der Wassergraben jedoch verschwand, womit man dem Wunsch der Konzertagentur Marema nachkam, die viele weitere Künstler nach Wiesmoor holen wollte - sie wanderte nach wenigen Jahren allerdings auf ein größeres Veranstaltungsgelände in Tannenhausen ab. Die Holzbänke wurden über mehrere Jahre hinweg gegen Schalensitze aus dem Stadion Köln-Müggendorf und dem Weserstadion Bremen ausgetauscht. Die dafür notwendigen Betonfüße stammen aus dem mittlerweile stillgelegten Wiesmoorer Betonwerk.
(Quelle: Anzeiger für Harlingerland, Christian Behrends)